26. März 202425. September 2024INTERVIEWMEERblickAssemble Entertainment im Interview: Einblicke in die Welt des deutschen Spiele-PublishersVon Marco Kolditz am 26. März 2024Mit Assemble Entertainment gründete Stefan Marcinek im Jahr 2016 einen Videospiel-Publisher, der kleinen Indie-Studios die Möglichkeit bietet, sich professionell auf dem großen Markt der Videospiele zu präsentieren. Im heutigen Interview gewährt uns Maria Zubova, PR Managerin von Assemble Entertainment, spannende Einblicke in die Welt des Spiele-Publishers. Laut einer statistischen Auswertung der Webseite SteamDB wurden im Jahr 2023 allein auf Steam 14.434 neue Spieletitel veröffentlicht, was etwa 40 Neuveröffentlichungen pro Tag entspricht (DLCs, Extensions und Ähnliches nicht inbegriffen). Diese enorme Zahl umfasst jedoch nicht nur große Blockbuster, sondern auch Billigproduktionen, Abzocker-Games und viele wunderbare kleine Indie-Perlen.Assemble Entertainment, ein deutscher Videospiel-Publisher mit Sitz in Wiesbaden, wurde von Stefan Marcinek im Jahr 2016 gegründet. Das Unternehmen unterstützt vor allem kleine Indie-Spieleentwickler während der Produktion, kümmert sich um notwendige Werbemaßnahmen und PR bei Veröffentlichungen und ermöglicht es ihnen, sich professionell in der großen Spielelandschaft zu präsentieren.Durch diese Zusammenarbeit sind großartige Spiele wie die Point & Click-Adventues Leisure Suit Larry: Wet Dreams Don`t Dry und dessen Nachfolger Leisure Suit Larry: Wet Dreams Dry Twice entstanden, aber auch Titel wie Encodya, Lacuna und das Survival-Aufbauspiel Endzone – A World Apart.In meiner Rubrik MEERblick möchte ich Einblicke in die Arbeiten anderer Künstler, Entwickler und Publisher ermöglichen, um neue spannende Erkenntnisse und Perspektiven zu gewinnen. Dieses Mal habe ich Maria Zubova, PR-Managerin von Assemble Entertainment, zu einem Interview eingeladen. Viel Spaß!Das Interview mit Assemble EntertainmentMaria Zubova, PR-Managerin von Assemble Entertainment im InterviewMEER DER IDEEN: „Um meinen Lesern eine kurze Übersicht über Euch als Videospiel-Publisher zu geben: Welche Art von Spielen vertreibt Ihr und was zeichnet Euch im Vergleich zu anderen Publishern besonders aus?“Maria Zubova (Assemble Entertainment, PR Managerin): „Bei uns sind Indie-Spiele aus aller Welt und von allen Genres zu Hause. Von Strategie über Roguelite bis hin zu Metroidvania, Visual Novels oder klassischen Adventure-Spielen ist alles vertreten. Wir bezeichnen uns selbst gerne als Publisher mit einem bunten Portfolio. Wir arbeiten mit vielen jungen Entwicklerteams aus Deutschland zusammen und sind einer der wenigen Publisher in Deutschland, die komplett unabhängig sind. Ich würde sagen, damit stechen wir am meisten heraus.“MEER DER IDEEN: „Wenn Assemble Entertainment ein beliebiger bekannter Videospiel- oder Film-Charakter wäre, welcher wäre es und warum?“Maria Zubova: „Wirklich eine lustige und kreative Frage. Vielleicht… Pikmin? Ich musste gerade daran denken, dass viele bei uns einfach einzigartige Charaktere sind. Jeder hat seine Stärken und Schwächen, jeder trägt mit seiner ‚Farbe‘ etwas zum Großen und Ganzen bei. Und irgendwie musste ich durch die vorherige Frage an etwas Buntes denken.“Daniel Gubala (COO) und Stefan Marcinek (Gründer, CEO) von Assemble EntertainmentMEER DER IDEEN: „Nach welchen Kriterien wählt Ihr Spiele aus, die Ihr als Publisher vertreiben möchtet? Gibt es bestimmte Genres oder Konzepte, auf die Ihr besonderen Wert legt?“Maria Zubova: „Die Projekte, die wir zugeschickt bekommen, sind jedes Mal einzigartig. Es ist immer eine Entscheidung von Fall zu Fall. Es kommt nie vor, dass wir Spiele aufgrund ihres Genres ablehnen. Natürlich ist eine gewisse Synergie mit unseren anderen Spielen sinnvoll (Stichwort: Indie Games). Ich würde sagen, am Ende des Tages kommt es auf den ‚Hook‘ eines Spiels an.Wenn man den Pitch des Entwicklerteams sieht, spielt oder liest und sofort die Vision dahinter versteht – brennen wir dafür? Sind wir Feuer und Flamme für das Projekt? Darauf kommt es am Ende an, denke ich. Denn wenn wir für das Projekt brennen, machen wir unsere Arbeit auch besser. Natürlich gibt es auch andere Faktoren wie Funding, Budget und Timing, die beachtet werden müssen.“Das Hauptquartier von Assemble Entertainment in Wiesbaden, Deutschland.MEER DER IDEEN: „Gibt es einen oder mehrere Spieletitel, die für Euch einen nostalgischen Wert haben und die einen Einfluss auf Eure Arbeit als Publisher hatten? Titel, die möglicherweise sogar zur Gründung des Unternehmens motivierten?“Maria Zubova: „Ich denke, bei dieser Frage führt kein Weg an Larry Laffer vorbei. Ja, diese Figur aus den 80ern ist zurecht kontrovers. Ich finde, das Entwickler-Studio CrazyBunch und Assemble Entertainment haben es jedoch geschafft, diese Figur umzudenken, ihr einen neuen, modernen Anstrich zu verpassen und ein spannendes Adventure zu erschaffen, in dem Larry Laffer in unsere Zeit katapultiert wird und mit unseren Wertvorstellungen kollidiert. Das ist einfach spannend und regt zum Nachdenken an.Ich verbinde mit Leisure Suit Larry eine Nostalgie, die bis in die Kindheit meines Vaters zurückreicht, denn er spielte damals die Spiele, um Englisch zu lernen. Dass ich heute nach Jahrzehnten an dieser Spielreihe mitarbeiten darf, erfüllt mich mit Stolz und erinnert mich an die Tage, an denen ich als Kleinkind Adventure Spiele mit meinem Papa gespielt habe.“Larry Laffer in „Leisure Suit Larry: Wet Dreams Don´t Dry“ von 2018MEER DER IDEEN: „Indie-Entwickler sind oft bekannt für ihre kreativen und unkonventionellen Ansätze bei der Spieleentwicklung. Könnt Ihr ein Beispiel für ein Indie-Spiel geben, das Euch besonders beeindruckt hat und warum?“Maria Zubova: „Ich könnte dir Hunderte nennen! Jedes Spiel, an dem ich arbeiten durfte, hatte etwas Besonderes an sich, sei es das Spiel selbst, der Entstehungsprozess oder das Team dahinter. Zuletzt haben wir ‚Three Minutes To Eight‘ herausgebracht, ein Timeloop-Game mit vielen Wendungen à la ‚Memento‘ oder ‚Und täglich grüßt das Murmeltier‘. In einer Zeitschleife stecken zu bleiben, fand ich irgendwie einen spannenden Ansatz für ein Adventure.Oder Roadwarden, ein textbasiertes RPG, bei dem ich eigentlich dachte, dass ich es niemals mögen würde – viel zu viel Text. Aber es ist so durchdacht und clever geschrieben, dass der Entwickler es geschafft hat, mich für ein Genre zu begeistern, mit dem ich nicht einmal aufgewachsen bin – so alt ist das!“Three Minutes To Eight: Ein Pixel-Art-Adventure mit Timeloop-ElementenMEER DER IDEEN: „Welche fiktive Welt oder Umgebung aus einem Eurer Spiele würdet Ihr gerne einmal in der Realität besuchen, und was würdet Ihr dort tun?“Maria Zubova: „Hm, da müsste ich eigentlich mein Lieblingsspiel nehmen: Lacuna. Ich liebe Sci-Fi, und Lacuna hat es mir besonders angetan. Ich würde auf jeden Fall auch bei CDI (sozusagen ein Pendant zur amerikanischen CIA, Anm. d. Red.) arbeiten und Fälle lösen wollen. Und dann würde ich in einer hochmodernen, futuristischen Stadt wohnen. In der Welt von Lacuna gibt es auch keinen Krebs! Ich könnte in fliegende Autos steigen und verschiedene Planeten erkunden.“Das Pixel-Art-Game „Lacuna“, veröffentlicht durch Assemble EntertainmentMEER DER IDEEN: „Die Budgets von Indie-Spielen sind in der Regel stark begrenzt. Dennoch bieten Indie-Titel häufig innovative Spielerlebnisse und gehen häufiger Risiken bei Spielmechaniken ein als die großen Entwickler auf dem Markt. Wie unterstützt Ihr als Publisher Indie-Entwickler bei der Realisierung ihrer Visionen trotz begrenzter Ressourcen?“Maria Zubova: „Das ist unser tägliches Brot! Ich sage immer gerne, Limitationen können auch die Kreativität fördern. Wenn man heutzutage große Streamer nicht bezahlen kann, dann pitcht man ihnen die Spiele trotzdem und hofft auf organische Coverage, weil das Spiel sie eben überzeugt.Oder man nimmt an digitalen Events teil, da sind auch welche dabei, die kostenlos sind, und im besten Fall wird das Spiel sogar mit einem Feature auf der Startseite von Steam unterstützt. Aber ja, mit begrenztem Budget muss man sich im Publishing-Sektor neu erfinden. Aber genau das finde ich spannend!“ MEER DER IDEEN: „Welche war die ungewöhnlichste Marketing-Idee oder Aktion, die Ihr als Publisher jemals für die Veröffentlichung eines Spiels umgesetzt hat?“Maria Zubova: „Um für Pizza Connection 3 zu werben, wurde ein Weltrekord mit der Pizza mit den meisten Käsesorten aufgestellt – und wir haben es geschafft. Nicht ungewöhnlich, aber effektiv war auch ein riesengroßes Laufkostüm von Finley aus Fall of Porcupine. Wenn eine riesige Doktor-Taube auf der Gamescom herumläuft, das fällt auf.“Die Wirtschaftssimulation „Pizza Connection 3“ der Gentlymad StudiosMEER DER IDEEN: „Könnt Ihr ein Beispiel für eine besondere Herausforderung bei der Entwicklung eines Spiels nennen und wie Ihr diese gemeistert habt?“Maria Zubova: „Das wäre wohl eher eine Frage für unsere Producer, die die Entwicklerteams während der Entwicklung begleiten. Aber auf jeden Fall ist es jedes Mal eine Herausforderung, Spiele rechtzeitig fertig zu kriegen. Zum Beispiel hat die Entwicklung von Roadwarden, das Text-Adventure, von dem ich vorhin sprach, ich glaube… 5 Jahre gedauert?Das Spiel befand sich noch in der Entwicklung, als ich bei Assemble Entertainment angefangen habe, und ich dachte, das wird nie fertig! Der Entwickler hat über 800.000 Wörter für dieses Spiel geschrieben. Und wir haben ihm geholfen, klare Ziele zu setzen und diese auch umzusetzen. Trotzdem wollten wir, dass er die beste Version seiner Vision herausbringt. Und das hat funktioniert!“Ihre Faszination für das Text-Adventure „Roadwarden“ hat Maria selbst überrascht.MEER DER IDEEN: „Gibt es Beispiele, in denen das Feedback der Spieler die Entwicklung eines Spiels maßgeblich beeinflusst hat?“Maria Zubova: „Da fällt mir direkt ‚Endzone‘ ein. Ein Strategiespiel, das von Anfang bis Ende in enger Zusammenarbeit mit der Community entwickelt wurde! Das Feedback der Community floss monatlich in die Early Access-Updates ein. Das Spiel wäre nicht das, was es heute ist, ohne die Community.“„Endzone“, ein Survival-Aufbauspiel der Gentlymad Studios, veröffentlicht durch Assemble EntertainmentMEER DER IDEEN: „Welche Trends haben Eurer Meinung nach die größte Auswirkung auf die Videospielwelt gehabt und auf welche Technologien und Entwicklungen seid Ihr besonders gespannt?“Maria Zubova: „Kein Trend, aber – Corona, TikTok und digitale Events haben meiner Meinung nach die Vermarktung von Videospielen stark beeinflusst. Aber auch die Zeit nach der Pandemie hat gezeigt, dass viele Spielefirmen sich neu erfinden müssen, um ihre Mitarbeiter halten zu können. Ehrlich gesagt, maße ich mir jedoch nicht an zu wissen, welcher Faktor die Welt am meisten beeinflusst hat!“Maria Zubova mit Zeichnungen verschiedener Charakter der durch Assemble Entertainment veröffentlichen Spiele-TitelMEER DER IDEEN: „Welche Botschaft oder Ratschlag möchtet Ihr angehenden Spieleentwicklern mit auf den Weg geben, die davon träumen, ihre eigenen Spiele zu veröffentlichen?“Maria Zubova: „Know your business, seid realistisch, tauscht euch mit anderen Devs und Publishern auf Messen oder online aus, aber das Allerwichtigste: Steht hinter eurer Vision. Transportiert sie mit einem Satz. Was ist interessant und besonders? Es gibt Hunderte Spiele auf Steam, und herauszustechen ist einfach unglaublich wichtig. Kannst Du mit deinem Spiel Menschen begeistern? Fragt Euch das!“Maria Zubova, PR Managerin von Assemble Entertainment (hier übrigens im Anzug von Larry Laffer aus dem Spiel „Leisure Suit Larry: Wet Dreams Don´t Dry“)MEER DER IDEEN: „Gibt es in einem Eurer bisher veröffentlichten Spielen mindestens ein Easter Egg, das bislang noch unentdeckt geblieben ist? Falls ja, dann dürft Ihr den Spielern jetzt gerne einen kleinen Tipp geben.“Maria Zubova: „Ich glaube, bei unseren Nutzern bleibt nichts unentdeckt. Aber ich gebe ein paar Beispiele: In ‚Leisure Suit Larry – Wet Dreams Don’t Dry‘ oder ‚Wet Dreams Dry Twice‘ sollten die Nutzer besonders auf die Gemälde achten. Da sind jede Menge Point-and-Click-Adventure-Referenzen zu finden. In ‚Fall of Porcupine‘ kann man in der Kneipe auch ein kleines Bild von einem bestimmten Charakter aus ‚Night in the Woods‘ entdecken.“Das Story-Adventure „Fall of Porcupine“ von Critical RabbitMEER DER IDEEN: „Wenn Ihr ein „Gamer-Handbuch“ für angehende Spieler verfassen müsstet, welche fünf Tipps oder Weisheiten würdet Ihr darin aufnehmen?“Maria Zubova: „1. Probiere Neues aus und erweitere Deinen Horizont. 2. Gib kleinen Spielen eine Chance. Sie werden Dich überraschen. 3. Hinterlasse Dein Feedback. Deine Stimme beeinflusst Spiele! 4. Jeder hat einen ‚Pile of Shame‘. 5. Don’t feed the troll.“Das Team von Assemble Entertainment (Stand: 2022)MEER DER IDEEN: „Zum Abschluss: Könnt Ihr uns einen kleinen Vorgeschmack auf kommende Projekte oder Veröffentlichungen geben, auf die sich die Spieler freuen dürfen?“Maria Zubova: „Unser wohl größtes Projekt ist Endzone 2! Da bin ich besonders gespannt auf das Feedback der Nutzer, weil wir wirklich versucht haben, Endzone neu zu denken und frische Ideen einzubringen. Wer Gefallen an meinem Lieblingsspiel Lacuna gefunden hat, dem wird sicherlich auch das Folgeprojekt Between Horizons (zu meinem Test) gefallen – Sci-Fi-Dramen und Fälle lösen. Perfekte Abendunterhaltung.“MEER DER IDEEN: „Vielen Dank für dieses interessante Interview!“Bildnachweis:Fotos & Screenshots: Assemble EntertainmentWeiterführende LinksWebseite von Assemble Entertainment »Themen zum ArtikelIndie Interviews SpieleArtikel von Marco KolditzMarco Kolditz ist unter dem Namen "MEER DER IDEEN" seit 2009 als Content Creator in München selbstständig und pflegt nebenher dieses Blogmagazin.Marco Kolditz hat bislang 409 Artikel geschrieben.